Musikwirtschaft Jazz/Rock/Pop Sachsen-Anhalt

Das Publikum entscheidet über Hop oder Top

Henning Rümmenapp, Gitarrist bei den Guano Apes, ist seit etwas mehr als einem Jahrzehnt in der Musikförderung tätig. Timo Leich interviewt ihn zum Thema Musik, Musikwirtschaft und Musikwirtschaftsförderung.

Henning Rümenapp

Henning Rümenapp (Foto: initiative-musik.de)

TL: Welche Aufgaben übernehmen Sie bei der Initiative Musik?
HR: Als Freiberufler arbeite ich für die Initiative Musik und bin Beauftragter für die Bund-Länder-Kooperation. Daher reise ich durch die Bundesländer und mache mir von der Situation vor Ort ein Bild. Ich schaue, wie die Förderung populärer Musik (Jazz, Rock, Pop) in den Bundesländern aufgestellt ist, ob die Menschen wissen, dass die Initiative Musik Förderungen anbietet und ob die Möglichkeit besteht Förderprojekte anzustoßen. Hauptberuflich bin ich Musiker, Gitarrist bei den Guano Apes, und in dem Zuge national und international sehr viel unterwegs.

TL: Sie sind bereits seit 12 Jahren in der Musikförderung tätig. Wie kam es zu diesem Engagement?
HR: Ich bin eher in das Tätigkeitsfeld der Musikförderung reingerutscht. Damals als ich nur Musik gemacht habe, fragten mich Musikkollegen, ob ich bei einer Bandfactory als Dozent bzw. Coach teilnehmen möchte. Ich stimmte zu und merkte, dass mir diese Aufgabe große Freude bereitet. Zudem konnte ich meinen großen Erfahrungsschatz einbringen, sodass andere Musiker nicht das gleiche Lehrgeld zahlen müssen, was ich gezahlt habe.

TL: Was für Aufgaben übernehmen Sie in diesem Bereich?
HR: Im Rahmen der Bund-Länder-Kooperation prüfe ich in den Bundesländern die Förder- und Pilotprojekte, die wir als Initiative Musik angestoßen haben. Dazu gehört, dass ich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Befindlichkeiten in den Bundesländern untersuche: Was gibt es dort für Akteure? Wie sind die Ministerien aufgestellt? Wie ist das Budget? Wie kann die Situation für die Musikförderung verbessert werden?

TL: Die Initiative Musik – eine gemeinnützige Projektgesellschaft – fördert und unterstützt Musiker und vor allem Nachwuchskünstler. Wie sieht diese Unterstützung aus?
HR: Es existieren zwei große Förderprogramme der Initiative Musik, die Künstler- und die Infrastrukturförderung. Innerhalb der Künstlerförderung können Musiker und Bands Fördergelder für auditive und audiovisuelle Projekte bzw. Produktionen beantragen. Angefangen bei der Plattenproduktion bis hin zu Marketing, Promotion, Tournee-Aktivitäten. Die Künstlerförderung funktioniert nach einem 40-60-Prinzip. Die Förderung beträgt bis zu 40% der jeweiligen Gesamtkosten pro Projekt. Die übrigen 60% sind der Eigenanteil des Künstlers. Das maximale Fördervolumen ist beschränkt auf 30.000 Euro pro Projekt pro Jahr. Zur Förderung bedarf es eines Mindestgeldvolumens in Höhe von 10.000 Euro.
Die Infrastrukturförderung nimmt den Hauptteil meiner Arbeit ein. Dabei prüfe ich die Förderungen in den Bundesländern und mögliche Durchführungen größerer Förderprojekte, die sich in Bereichen von 100.000 Euro Fördervolumen befinden können.

TL: Wer entscheidet nach welchen Kriterien über den Einsatz der Förderinstrumente?
HR: Entschieden wird von einem 12-köpfigem Aufsichtsrat, paritätisch bestehend aus Verwaltung und Politik auf der einen und der Musikwirtschaft auf der anderen Seite. Vorsitz des Aufsichtsrats hat Prof. Dieter Gorny. Der Aufsichtsrat tagt vierteljährlich und entscheidet über die eingesandten Anträge.

TL: Wie viele Projekte hat die Initiative Musik bereits gefördert?
HR: Seit 2009 sind ca. 600 Projekte gefördert worden. Dazu gehören die eben genannten Künstler- und Infrastrukturförderungen, aber auch Förderungen in einem dritten großen Schwerpunkt, der Kurztourförderung. Hierbei geht es um Künstler, die Förderung für Konzerte im Ausland beantragen können. Die Pro-Kopf-Förderung liegt bei 400 Euro innerhalb und 800 Euro außerhalb von Europa.

TL: Die Initiative Musik unterstützt den New Music Award. Wie gestaltet sich diese Partnerschaft?
HR: Die Initiative Musik hat bereits mehrfach den New Music Award unterstützt, da der Zusammenschluss der jungen Radiowellen für uns eine sehr sinnvolle Plattform für die Förderung von Newcomern darstellt. Wir haben die Hoffnung, dass aus den Nachwuchskünstlern Musiker werden, die dann selbst eine Künstlerförderung bei der Initiative Musik für eigene Projekte beantragen.

TL: Was raten Sie Bands, die es nicht in die engere Auswahl schaffen?
HR: Allen Bands, die es nicht in die engere Auswahl in einem Nachwuchswettbewerb schaffen, rate ich weiter zu machen und sich weiter zu bewerben – nächstes Jahr gibt es wieder eine neue Chance. Meine Band hat eine große Chance erhalten, da wir einen Nachwuchswettbewerb gewonnen haben. Von daher halte ich das für eine sehr gute Möglichkeit, insofern man nicht das Gefühl hat, ausgebeutet zu werden.

TL: Sie sind bereits seit vielen Jahren im Musikgeschäft tätig. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Beginn Ihrer Musikkarriere mit den Guano Apes und dem jetzigen Zeitpunkt?
HR: Ja, natürlich. Seit dem Zeitpunkt 1997/98, als wir als Guano Apes angefangen haben professionell Musik zu machen, hat sich wahnsinnig viel verändert. Damals existierte kein Online-Marketing und auch die Vertriebslandschaft war noch traditionell aufgestellt. Heutzutage läuft ein großer Teil über den digitalen Musikvertrieb. Dadurch haben sich die Marketing- und Promoplattformen verändert. Diese Plattformen ermöglichen den vielen Musikern sich öffentlich im Internet zu präsentieren. Doch aufgrund der starken Zunahme vieler unbekannter Künstler ist der Markt unübersichtlich geworden. Das bedeutet dann doch wieder den Einsatz traditioneller Elemente, wie Werbung, Marketing und Promotion. Wichtig ist, eine Fanbindung herzustellen und nicht nur eine Platte auf Knopfdruck im Internet zu veröffentlichen. Denn so wird man von der Masse weniger wahrgenommen.

TL: Was sind sinnvolle Fördermöglichkeiten für junge Musiker?
HR: Sinnvolle Fördermöglichkeiten für Musiker sind natürlich Nachwuchswettbewerbe, Förderungen auf kommunaler Ebene, Landes- und Bundesebene. Dennoch muss man viele Auftritte absolvieren und versuchen den eigenen Namen unters Volk zu bringen. Anschließend muss man jemanden finden, der das Ganze unterstützt und die Lobby-Arbeit für die eigene Band übernimmt. Das Objekt 5 in Halle bspw. macht auch etwas in Form der Nachwuchsförderung, in dem sie dem Publikum immer wieder neue Künstler vorstellen. Die kleinen und mittelgroßen Clubs spielen immer wieder eine wichtige Rolle. Es ist wichtig, sich Ankerpunkte in der regionalen Struktur zu schaffen.

TL: Gerade die Musikgenres Rock/ Pop sind sehr beliebte und lukrative Bereiche. Ist es da nicht ein Widerspruch, dass es den jungen Musikern und Bands nur schwer gelingt, Fuß zu fassen?
HR: Nein! Nur weil sich mit Fußball viel Geld verdienen lässt, heißt es nicht, dass jeder neue Fußball-Spieler umgehend Millionär ist. Man muss sich hochspielen. Das bedeutet ein hartes Stück Arbeit. Die Künstler, die wirklich mit ihrer Musik Geld verdienen, sind weniger, als man denkt. Es existieren sehr viele Musiker in der Breite und wenig in der Spitze. Darum arbeite ich auch in der Nachwuchsförderung, um die Möglichkeiten und Perspektiven für junge Künstler zu verbessern. Zum Großteil bedingt sich die Situation durch das Publikum bzw. der Gesellschaft, die den Konsum eben auf eine anderer Art und Weise auslebt. Darunter leiden dann natürlich auch die Spielstätten, da zu einem Konzert immer weniger Leute gehen. Förderungen können nur einen Teil übernehmen, aber am Ende entscheidet das Publikum über Hop oder Top.

TL: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation in der Musikwirtschaftsförderung ein?
HR: Die Initiative Musik ist eigentlich bahnbrechend, da es vorher für den Bereich Musik/Musikwirtschaft keine berufsweite Förderung gegeben hat. Ich kämpfe dafür, dass das in den Ländern für die Initiative Musik publik gemacht wird und somit die Künstler die Möglichkeit haben, diese Förderung in Anspruch zu nehmen. Im Bereich der E-Musik und Klassik existieren bereits seit Jahrzenten Förderungen, die auch gesellschaftlich anerkannt sind. Im Bereich der Popular-Musik stecken wir noch ein wenig in den Kinderschuhen, aber wir tun alles dafür, dass sich die Situation verbessert.

TL: Sie waren Teilnehmer beim Runden Tisch der Musikwirtschaft Jazz/Rock/Pop Sachsen-Anhalt. Es wurde deutlich, dass gerade in Sachsen-Anhalt die Musikwirtschaft eher unterrepräsentiert und die Förderungen mangelhaft sind. Welche Maßnahmen existieren, um diese Situation zu verbessern?
HR: Wir prüfen derzeit für Sachsen-Anhalt, zusammen mit den Ministerien, mit den Akteuren und den Förderern vor Ort, den Fokus mehr auf die Popular-Musik zu legen. Hierbei handelt es sich auch um einen Wirtschaftsfaktor, denn es existieren hier Spielstätten, Studios, Veranstalter, Festivals und eben ganz viele Musiker. Wir versuchen diese unterschiedlichen Menschen zu einer gemeinsamen, starken Stimme zu formen und so mit Forderungen an die Kommunen, ans Land und an die Ministerien heranzutreten. Es soll vermittelt werden, dass es nicht nur klassische Musik gibt, sondern auch populäre Musik.

TL: Eine letzte Frage: Was raten Sie jungen Musikern und Bands?
Jungen Musikern kann ich immer nur raten authentisch zu bleiben und nicht zu versuchen sich einem mutmaßlichen Publikumsgeschmack anzupassen. Denn, wenn man versucht es so vielen Leuten wie möglich Recht zu machen, driftet man in die Mittelmäßigkeit ab. Es ist wichtig echt und originell zu bleiben. Man sollte sich als Musiker die Fragen stellen: Wo komme ich her? Wo stehe ich jetzt und wo will ich eigentlich hin? Welche Schritte sind dafür nötig?
Dazu gehören neben der Förderung auch sinnvolles Marketing und Promo-Aktivitäten. Es geht nicht darum, sich selbst einfach zu verkaufen, sondern dabei authentisch zu bleiben und Schritt für Schritt nach vorn zu geben.

von Timo Leich (TL)

weitere Informationen auf Initiative Musik

[codepeople-post-map][codepeople-post-map][codepeople-post-map]